der Populismus bestimmt nach wie vor die politische Debatte. Manche sprechen gar von einem “Zeitalter des Populismus” und warnen vor seiner destruktiven Kraft. Lesen Sie in diesem Newsletter Meinungen und Analysen verschiedener CONVOCO! Denkerinnen und Denker zu der Frage:
Populismus: Vorübergehendes Phänomen oder neue politische Normalität?
Die aktuelle Situation

Wir leben in einem Zeitalter des Populismus. Nie zuvor waren in so vielen Ländern Populisten an der Macht. […] Gemessen an der Wirtschaftsleistung, machen diese Länder sogar mehr als 30 Prozent des globalen Bruttosozialprodukts aus.

Was die offene Gesellschaft angeht, erleben wir Tendenzen hin zu einer geschlossenen Gesellschaft. Das hängt mit der Polarisierung zusammen. Auf der linken Seite mit dem Stichwort Cancel Culture, die versucht unliebsame Meinungen aus dem öffentlichen Diskurs auszugrenzen, während auf der rechten, rechtspopulistischen Seite Trugbilder einer homogenen Vergangenheit kultiviert werden, die sich schwer tun mit einer offenen pluralistischen Gesellschaft.
Andreas Roedder, C! Podcast #101

Die rechtspopulistischen Parteien sind der Meinung, Deutschland müsste aus der Europäischen Union austreten und es gibt eine ganze Reihe von rechtspopulistischen Parteien in anderen EU-Staaten, die das auch denken. Das ist natürlich ein Wohlstandsvernichtungsprogramm ersten Ranges, was da vertreten wird. Wenn diese Parteien an die Macht kommen, den Rechtsstaat aushöhlen und die Erosion vorantreiben, dann tangiert uns das in Deutschland. Wir sind eine hoch integrierte Gemeinschaft, die darauf angewiesen ist, dass in allen 27 Staaten Behörden und Gerichte das europäische Recht möglichst gleichmäßig anwenden.
Christine Langenfeld, C! Podcast #134
Ursachen des Populismus

Weil wir international zusammenarbeiten, eine Weltfriedensordnung, eine offene Welthandelsordnung und auch gegenseitige Kontrolle der Nationalstaaten wünschen, zahlen wir auch einen Preis. Der Preis ist die Komplexität der Regierungsverhältnisse, der politischen Entscheidungsverfahren. Und das führt dann manchmal zu Protesten. Zum Beispiel ist das, was wir unter Populismus von links und rechts abhaken, manchmal der ohnmächtige Protest gegen die Komplexität eines Regierungssystems, das sehr stark international strukturiert ist. Dann kann aus diesen Kosten auch ein handfestes Risiko für die Stabilität von Demokratien werden.
Udo di Fabio, C! Podcast #40

Der Populismus ist ein interessantes Phänomen, gerade, wenn es um Verlust geht. Und zwar in einem doppelten Sinn. Wo der Populismus an, oder auch in die Nähe der Macht kommt, bedeutet das, dass neue Verlusterfahrungen stattfinden. Also das, was man demokratische Regression nennen könnte, die Instabilität der politischen Systeme durch den Populismus. Aber man könnte sich auch fragen, warum der Populismus überhaupt Zulauf erhält, vor allem der rechte Populismus in den letzten zehn Jahren. Ich denke, ein zentraler Punkt ist, dass wir da Trägergruppen haben, die von Verlusterfahrungen oder Verlustängsten geprägt sind, die von der Zukunft keine Verbesserung erwarten, (Wohlstandsversprechen usw.), sondern eigentlich bestimmte Verluste schon erfahren haben, ökonomisch oder auch kulturell.
Andreas Reckwitz, C! Podcast #106
Funktionsweisen des Populismus

I think narratives are so important. They’re also very important for politicians. And frankly, it breaks my heart to see that often populist demagogues are better than their liberal or democratic counterparts. They’re better in terms of coming up with a narrative, in terms of connecting with people’s emotions. Wherever we see a rise in populism or some demagoguery, there’s always a narrative behind it. And that narrative is powerful. If we believe in democracy, if we believe in building a more peaceful coexistence, we have to have a narrative. You can’t solely rely on numbers and facts, although they’re important.
Elif Shafak, C! Podcast #140

Populismus und Polarisierung haben in vielen Demokratien einen Teufelskreis aus Misstrauen, Vereinfachung und Blockade geschaffen. Populisten stellen die Gesellschaft als dualistisches System dar – »das Volk« gegen »die Elite« – und suggerieren einfache Lösungen für komplexe Probleme. Diese Rhetorik hat insbesondere in Krisenzeiten Erfolg, sei es während der Finanzkrise 2008, der Flüchtlingskrise 2015 oder der COVID- 19-Pandemie.
Moritz Schularick, C! Edition 2025

Der Populismus beruft sich darauf, dass er alleine den wahren Willen des Volkes vertritt. Er alleine ist legitimiert, Politik umzusetzen. Der Populismus behandelt andere politische Strömungen nicht als Wettbewerber, sondern als Feinde. Das heißt, der Populismus ist nicht darauf ausgerichtet, einen politischen Wettbewerb wirklich fair miteinander auszutragen. Dort, wo populistische Parteien an die Macht kommen, stellen wir fest, […] dass die Unabhängigkeit der Justiz angegriffen wird, die Richterbesetzung politisiert wird, die Medien in ihrer Freiheit eingeschränkt werden, das Wahlrecht angepasst wird.
Christine Langenfeld, C! Podcast #134

Populistische Parteien sind sehr versiert darin, Verdruss aufzugreifen. Es gibt Politikerinnen und Politiker, die schlichtweg leugnen, dass der Klimawandel stattfindet. Aber es existieren auch Argumente, die darauf abzielen, individuelle Gewohnheiten, Kulturen oder Traditionen zu verteidigen.
Claudia Wiesner, C! Edition 2025

Nur in einem freien Land, in dem man sich frei äußern kann, in dem auch die Opposition Möglichkeiten der Äußerung hat und entsprechend durch Gerichte geschützt wird, nur in solchen Rechtsordnungen ist ein demokratischer Machtwechsel möglich. Wir sehen in Staaten, in denen populistische Parteien die Macht gewinnen, dass sie alles tun, um eben diesen Machtwechsel zu verhindern. Wir sehen das etwa in Ungarn. Wir haben die Versuche der PiS in Polen dazu gesehen.
Christine Langenfeld, C! Podcast #134